Artikel-Informationen
erstellt am:
06.03.2020
Ansprechpartner/in:
Vizepräsident/Pressesprecher Dr. Torsten Baumgarten
BRAUNSCHWEIG. In der vergangenen Woche besuchte ein sechsköpfiges Forscherteam das Verwaltungsgericht Braunschweig. Unter Leitung von Frau Dr. Larissa Vetters erprobten die Forscherinnen und Forscher der Abteilung „Recht & Ethnologie“ des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung (Halle), der Forschungsstelle Migrationsrecht der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie des Integrative Research Institute Law & Society an der Humboldt-Universität zu Berlin mit den Richterinnen und Richtern ein neuartiges Forschungs- und Weiterbildungsformat.
Mit diesem Format sollen die besonderen Anforderungen in den Blick genommen werden, denen sich Richterinnen und Richter in Asylprozessen ausgesetzt sehen. Die besonderen Herausforderungen bestehen für Richterinnen und Richter in diesen Verfahren zum einen darin, angesichts der kulturellen, sozialen, ethnischen und religiösen Diversität der Klägerinnen und Kläger zu belastbaren Entscheidungsgrundlagen zu gelangen. Zum anderen ist die Kommunikation mit den Klägerinnen und Klägern in aller Regel nur durch Sprachmittlerinnen und -mittler möglich und daher besonders schwierig. Schließlich stellen sich für Richterinnen und Richter schwierige Fragen bei der Einordnung und Bewertung der von den Asylsuchenden vorgebrachten Tatsachen und der länderspezifischen Erkenntnismittel.
Im Rahmen eines einwöchigen Forschungs- und Weiterbildungsseminars sollten nun einerseits neue empirische Erkenntnisse für die interdisziplinäre Rechtsforschung gewonnen werden. Andererseits sollten Reflexionstechniken und Handlungsempfehlungen für die Richterinnen und Richter entwickelt werden.
Das Forschungsteam verband zu diesem Zweck Elemente der prozessbegleitenden, teilnehmenden Beobachtung mit Fallbesprechungen, Input-Referaten und Gruppendiskussionen. Die Forscherinnen und Forscher stellten grundlegende Erkenntnisse der ethnologischen Forschung dar. Darüber hinaus erläuterten sie, wie Herkunftslandwissen derzeit für die Rechtsprechung aufbereitet wird, stellten Konzepte der interkulturellen Kompetenz in der Justiz vor und referierten den empirischen Forschungsstand zu asylgerichtlichen Verfahren im Spannungsfeld gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen und im europäischen Vergleich.
Den Auftakt der Veranstaltung bildete ein Vortrag von Prof. Dr. Winfried Kluth mit dem Titel „Anforderungen an Interdisziplinarität in der Justiz aus rechtswissenschaftlicher Perspektive“. Darin erläuterte er seinen Vorschlag, zur Klärung der Gefahrenlage in Herkunfts- und Drittstaaten eine Fachstelle am Bundesverwaltungsgericht einzurichten.
An den folgenden drei Vormittagen beobachteten Mitglieder des Forschungsteams Verhandlungen in Asylverfahren. Anschließend wurde unter Berücksichtigung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse in Gesprächsrunden mit den Richterinnen und Richtern unter anderem erörtert, welche spezifischen Formen und Techniken der interkulturellen Kommunikation in den mündlichen Verhandlungen angewandt werden können.
Das Forschungsteam und die Richterinnen und Richter des VG Braunschweig blicken auf eine intensive Woche des Austausches zurück.
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erstellt am:
06.03.2020
Ansprechpartner/in:
Vizepräsident/Pressesprecher Dr. Torsten Baumgarten