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Ise-Weg in Gifhorn bleibt frei für Allgemeinheit

Die Bürgerinnen und Bürger dürfen den in Gifhorn zwischen der Ise und dem Schlosssee gelegenen Weg weiterhin auf seiner gesamten Länge benutzen. Es handelt sich zwar um keinen öffentlichen Weg im Sinne des Straßengesetzes. Das Naturschutzrecht berechtigt aber jede Bürgerin und jeden Bürger dazu, den Weg zu betreten – auch dort, wo er über ein Privatgrundstück führt. Dies hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts heute nach einer mündlichen Verhandlung entschieden.

Der Ise-Weg ist Gegenstand eines langjährigen Streits zwischen der Stadt Gifhorn und dem Miteigentümer eines Wiesengrundstücks, über das der Weg auf einer Länge von ca. 65 Metern führt. Dieses Grundstück steht im Eigentum einer Erbengemeinschaft, alle übrigen Grundstücke, die der Weg überquert, gehören der Stadt. Das Verwaltungsgericht musste sich schon wiederholt mit dem Streit beschäftigen, weil der Miteigentümer Hindernisse auf dem Weg errichtet und den Weg aufgegraben hatte. Zuletzt entschied das Gericht im September vergangenen Jahres in einem Eilverfahren, dass der Miteigentümer nicht berechtigt sei, den Verkehr auf dem Weg in irgendeiner Weise zu behindern. Dies gelte so lange, bis die Gerichte rechtskräftig darüber entschieden haben, ob der Weg von der Öffentlichkeit genutzt werden darf. Außerdem bescheinigte das Gericht dem Miteigentümer seinerzeit, er habe mit seinen verkehrsbehindernden Maßnahmen gegen einen zwischen ihm und der Stadt vor Gericht geschlossenen Vergleich verstoßen.

In dem jetzigen Verfahren ging es um eine gegen die Stadt gerichtete Klage der Grundeigentümer, mit der sie die gerichtliche Feststellung erreichen wollten, dass der Ise-Weg nicht als öffentlicher Weg im Sinne des Straßenrechts anzusehen ist. Die Stadt vertrat in dem Verfahren die Auffassung, der Weg werde seit Menschengedenken von der Öffentlichkeit genutzt. Schon deswegen handele es sich um einen öffentlichen Weg. Im Übrigen sei der Weg in einem Bebauungsplan verzeichnet, der in den 70er Jahren vom Rat der Stadt beschlossen worden sei. Der damalige Eigentümer sei dagegen nicht vorgegangen.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Der Ise-Weg sei kein öffentlicher Weg im Sinne des Straßengesetzes, weil die Stadt die dafür rechtlich erforderlichen Maßnahmen nicht getroffen habe. Trotzdem dürfe die Öffentlichkeit den Weg aber weiterhin benutzen.

Der Ise-Weg könne nicht als öffentlicher Weg im Sinne des Straßengesetzes angesehen werden, weil die Stadt ihn nicht in das sogenannte Straßenbestandsverzeichnis aufgenommen habe. In Niedersachsen mussten die Gemeinden alle Straßen und Wege, die weiter als öffentliche Straßen oder Wege genutzt werden sollten, bis Ende 1983 in ein Bestandsverzeichnis eintragen. Den Ise-Weg hatte die Stadt aber nicht in dem Verzeichnis ausgewiesen. Auch später hatte ihn die Stadt nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form für den öffentlichen Verkehr bestimmt („gewidmet“). Die Richter entschieden, mit den Vorschriften über die Straßenverzeichnisse habe der Gesetzgeber klare Verhältnisse beim Bestand der öffentlichen Straßen und Wege erreichen wollen. Daher könne in Niedersachsen kein Weg mehr allein deswegen als öffentlicher Weg angesehen werden, weil er seit Menschengedenken für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich war.

Zur Klarstellung wies die Kammer aber darauf hin, dass die Kläger trotzdem nicht berechtigt seien, den Ise-Weg zu sperren oder den Verkehr auf dem Weg zu behindern. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Niedersächsischen „Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung“ habe jeder Mensch das Recht, die freie Landschaft zu betreten. Diese Nutzung sei den Klägern grundsätzlich zumutbar und dürfe von ihnen nicht behindert werden. Das sei auch mit dem Grundgesetz vereinbar, weil Eigentum danach „sozialpflichtig“ sei.

(Urteil vom 21.09.2010, Aktenzeichen 6 A 111/09)

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.09.2010

Ansprechpartner/in:
Vizepräsident/Pressesprecher Dr. Torsten Baumgarten

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