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Abwassergebühren in Braunschweig sind rechtmäßig

Die von der Stadt Braunschweig für die Jahre 2005 und 2006 erhobenen Abwassergebühren sind rechtmäßig. Dies hat die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts gestern in einem Musterverfahren stellvertretend für eine Vielzahl weiterer bei Gericht anhängiger Verfahren entschieden.

Die drei Kläger des Musterverfahrens hatten eine Reihe von Einwänden gegen die Abwassergebühren vorgebracht. Dabei hatten sie insbesondere auch verschiedene Maßnahmen der Stadt im Zusammenhang mit der Privatisierung der Stadtentwässerung und dem Bau des Schlosses kritisiert. Nach dem Urteil der Kammer greift aus rechtlicher Sicht keiner der Einwände durch, die Gebühren sind auch der Höhe nach rechtlich nicht zu beanstanden.

Im Einzelnen haben die Richter zu den wichtigsten Einwänden der Kläger wie folgt entschieden:

Einwand: Der Ermittlung der Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung und die Niederschlagswasserbeseitigung für das Jahr 2005 liege keine ordnungsgemäße Kalkulation zugrunde.

Die Kammer hat entschieden, die Gebührenkalkulation der Beklagten für das Haushaltsjahr 2005 und der darauf beruhende Abwassergebührensatz seien nicht zu beanstanden. Die dem Ratsbeschluss vom 21.12.2004 zugrunde liegende Vorlage vom 11.11.2004 zeige nicht nur die Gebührensatzobergrenze auf, sondern lasse in der gebotenen Deutlichkeit erkennen, welchen Kalkulationszeitraum die Beklagte annimmt, von welchen prognostizierten Kosten sie ausgeht, wie hoch die Kostensteigerung gegenüber dem Vorjahr ausfällt, worin diese Kostensteigerung begründet ist, in welcher Höhe die in den Vorjahren eingetretene Überdeckung zur Herbeiführung eines Ausgleichs vorzutragen ist, wie hoch der Gebührendeckungsgrad der Einrichtung insgesamt sein soll und wie hoch die Abwassermenge geschätzt wird. Die überaus umfangreiche und detaillierte Berechnungstabelle (sog. Betriebsabrechnungsbogen), die der Ermittlung der in die Ratsvorlage aufgenommenen Zahlen zugrunde lag, habe die Stadtverwaltung der Kalkulation nicht beifügen müssen, zumal es den Ratsmitgliedern in Ausübung des ihnen zustehenden Fragerechts jederzeit möglich gewesen wäre, eine genaue Aufklärung der einzelnen Kostenpositionen zu verlangen.

Einwand: Die im Zuge der Privatisierung der Stadtentwässerung in die Kalkulation für das Jahr 2006 eingestellten Aufwendungen seien nicht angemessen und erforderlich.

Nach dem Urteil der Kammer ist die Prognoseentscheidung der Stadt, dass die Kosten nach der Privatisierung jedenfalls nicht höher sein werden als vor der Privatisierung, nicht zu beanstanden. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Stadt rechtlich ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte für eine Kostenüberdeckung oder für eine Erschließung illegaler Finanzquellen durch die Beklagte finden können.

Einwand: Der von der Stadt Braunschweig im Rahmen der Privatisierung der Stadtentwässerung erzielte Erlös hätte den Gebührenzahlern zugute kommen müssen.

Die Richter haben entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, den mit dem Kanalisationsnetz erzielten Gewinn zugunsten der Gebührenzahler in die Kalkulation einzustellen. Die Beklagte habe das Kanalnetz nicht "verkauft". Es würden lediglich Pachterlöse erzielt. Die Stadt habe mit der Übertragung des Anlagevermögens (des Kanalnetzes) jedenfalls auch keinen Erlös erzielt, der dem Gebührenzahler "zustehe", da es sich bei dem Anlagevermögen nicht um "Kapital" des Gebührenzahlers handele.

Einwand: Die Stadt Braunschweig habe es zu Unrecht unterlassen, die von dem Vorhabenträger des ECE-Schlossprojektes gezahlten Beträge für die notwendig werdenden Leitungsverlegungen und Leitungsanpassungen der Stadtentwässerung zugunsten der Gebührenzahler zu berücksichtigen.

Nach dem Urteil des Gerichts liegt den Zahlungen des ECE-Projektträgers der Durchführungsvertrag zum Bebauungsplan "Einkaufszentrum Schlosspark" zugrunde. Aus diesem Vertrag ergebe sich, dass der weit überwiegende Teil des von dem Vorhabenträger zu zahlenden Pauschalbetrages ausschließlich für die Verlegung des Wendenmühlengrabens zu verwenden war, nicht aber für Erneuerungen der Kanalanlage, die eventuell im Zuge der Umgestaltung von Straßen erforderlich wurden.

Einwand: Die Stadt Braunschweig habe es zu Unrecht unterlassen, das bei der Errichtung des ECE-Centers aus der Baugrube in die Niederschlagswasserkanalisation eingeleitete Grundwasser vorteilsgerecht zu erfassen und die Beträge, die sie dabei hätte einnehmen können und müssen, in die Kalkulationen einzustellen.

Die Richter haben entschieden, dass das von der Beklagten allein auf vertraglicher Ebene erhobene Entgelt für die Einleitung des unverschmutzten Grundwassers in die Niederschlagswasserkanalisation der Höhe nach nicht zu beanstanden sei. Die der Heranziehung zugrunde liegende Satzungen sähen dafür keinen Gebührentatbestand vor.

Einwand: Die Beklagte habe "nicht den Nachweis geführt, dass die Erträge der Sonderrechnung Stadtentwässerung dem Gebührenhaushalt gutgeschrieben würden".

Dazu hat das Gericht entschieden: In der zum 01.01.1998 eingeführten kaufmännischen Sonderrechnung "Stadtentwässerung" seien alle Aufwendungen und Erträge im Zusammenhang mit der Stadtentwässerung geführt und festgehalten worden. Dies gelte auch für Abschreibungserlöse etc. Dieses Rückflusskapital stehe unabhängig davon, dass es letztlich der Wiederbeschaffung der Anlage dienen solle, rechtlich der Gemeinde zu. Sie müsse lediglich am Ende der Nutzungsdauer der Anlage die erforderlichen Haushaltsmittel für eine Wiederbeschaffung bereitstellen. Bis dahin stehe es ihr jedoch frei, das durch Abschreibungen entstandene Kapital sowie etwaige Zinserträge für allgemeine Haushaltszwecke zu nutzen.

Einwand: Nach der Privatisierung ab 2006 sei der Ansatz der Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen in der Kalkulation rechtswidrig geworden, da Neuinvestitionen ausschließlich kreditfinanziert (und damit nicht mehr binnenfinanziert) würden.

Nach der Entscheidung der Kammer wird das zum Zeitpunkt der Privatisierung bestehende Anlagevermögen nach wie vor auf der im Kommunalabgabengesetz ausdrücklich für zulässig erachteten Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten abgeschrieben. Für die ab dem 01.01.2006 getätigte (Neu-)Investition erhalte die Stadtentwässerung Braunschweig ein Kapitalkostenentgelt, das die Beklagte – zu Recht – als Fremdkosten in die Gebührenkalkulation einstelle.

Einwand: Die Stadt Braunschweig gehe nach wie vor zu Unrecht davon aus, dass in der sog. Kernstadt die Kanäle und insbesondere die Hausanschlüsse nicht durch Beiträge der Anwohner finanziert worden seien.

Die Kammer hat nach Auswertung aller Akten, insbesondere der von den Klägern mit sehr großer Sorgfalt zusammengetragenen Unterlagen, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür finden können, dass Anwohner in der sog. Kernstadt Beiträge geleistet haben, die ausschließlich der öffentlichen Einrichtung Abwasserbeseitigung – und damit nicht anderen Zwecken – dienen.

(Aktenzeichen 8 A 62/07, 8 A 222/06, 8 A 417/06, 8 A 360/06 und 8 A 612/06)

Artikel-Informationen

erstellt am:
09.03.2010
zuletzt aktualisiert am:
30.06.2010

Ansprechpartner/in:
Vizepräsident/Pressesprecher Dr. Torsten Baumgarten

Verwaltungsgericht Braunschweig
- Pressestelle -
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Tel: 0531 488-3018 oder -3020
Fax: 05141 593733001

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