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Polnischer Führerschein schützt nicht vor Anwendung des deutschen Führerscheinrechts

"Führerschein-Tourismus" ist kein Ausweg bei nicht bestandener medizinisch-psychologischer Untersuchung

Der Erwerb eines Führerscheins in Polen oder einem anderen Mitgliedsstaat der EU schützt nicht vor der Anwendung des deutschen Fahrerlaubnisrechts. Insbesondere können damit die erforderlichen medizinisch-psychologischen Untersuchungen zur Fahreignung nicht umgangen werden. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts.

In dem entschiedenen Fall ging es um die in Polen ausgestellte Fahrerlaubnis eines 26 Jahre alten deutschen Staatsangehörigen aus dem Landkreis Wolfenbüttel. Der Mann war in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2004 in vier Fällen wegen Straftaten verurteilt worden, unter anderem wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Straßenverkehrsgefährdung. 2004 hatte das Amtsgericht Wolfenbüttel ihm wegen rücksichtslosen Verhaltens im Straßenverkehr auch seine damalige, in Deutschland ausgestellte Fahrerlaubnis entzogen. Nachdem der 26-Jährige Anfang 2005 beim Landkreis die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beantragt hatte, kamen die Gutachter des TÜV zu dem Ergebnis, ihm fehle weiterhin die Fahreignung: Auf Grund seiner Einstellung, mit deren Änderung nicht kurzfristig zu rechnen sei, stelle er eine erhebliche Gefahr für den Straßenverkehr dar. Der Mann nahm daraufhin seinen Antrag zurück und erwarb im August 2005 in Stettin (Polen) eine Fahrerlaubnis der Klasse B.

Als der Landkreis hiervon erfuhr, forderte er den Mann auf, ein neues medizinisch-psychologisches Gutachten über die Fahreignung vorzulegen. Weil die Aufforderung ohne Erfolg blieb, entzog die Behörde im Dezember 2005 die in Polen ausgestellte Fahrerlaubnis. Der Mann stellte einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht. Sein Anwalt machte geltend, die Entscheidung des Landkreises verstoße gegen Europarecht. Danach seien alle EU-Staaten dazu verpflichtet, die von anderen Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine anzuerkennen. Die deutschen Behörden dürften eine polnische Fahrerlaubnis daher nicht wegen Vorkommnissen entziehen, die zeitlich vor der Erteilung der Fahrerlaubnis stattgefunden hätten. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Die Kammer entschied, dass der Landkreis rechtmäßig gehandelt habe. Die Europäische Führerschein-Richtlinie erlaube es ausdrücklich, auf Führerscheine aus anderen Mitgliedsstaaten der EU die innerstaatlichen Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis anzuwenden. Dabei dürften jedenfalls auch fortwirkende Bedenken gegen die Fahreignung berücksichtigt werden. Sonst - so die Kammer - entstünden erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr. Deshalb dürfe hier berücksichtigt werden, dass die Sachverständigen des TÜV den Antragsteller nur wenige Monate vor Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis als eine erhebliche Gefahr für den Straßenverkehr angesehen hätten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass diese Eignungsmängel den polnischen Behörden nicht bekannt gewesen seien.

Wie die Kammer hatte zuvor schon eine Reihe anderer Verwaltungsgerichte entschieden.

(Aktenzeichen: 6 B 11/06)

Artikel-Informationen

erstellt am:
06.02.2006
zuletzt aktualisiert am:
30.06.2010

Ansprechpartner/in:
Vizepräsident/Pressesprecher Dr. Torsten Baumgarten

Verwaltungsgericht Braunschweig
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