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Verwaltungsgericht stoppt ECE

Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat heute einem der Eilanträge stattgegeben, die sich gegen die Baugenehmigung zur Errichtung der Schlossarkaden Braunschweig gewandt haben. Zwei weitere Eilanträge hatten keinen Erfolg. Aufgrund der dem Eilantrag stattgebenden Entscheidung darf die Baugenehmigung derzeit nicht vollzogen werden. Dies bedeutet, dass mit dem Bau der Schlossarkaden Braunschweig nicht begonnen werden kann.

Die Stadt hatte einem privaten Investor die Genehmigung zum Bau eines Einkaufszentrums im Schlosspark erteilt. Die drei Antragsteller, bei denen es sich um Nachbarn des Schlossparkareals handelt, hatten hiergegen Widerspruch erhoben und beim Verwaltungsgericht beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche anzuordnen. Die Bauherrin - die "Kommanditgesellschaft PANTA 34. Grundstücksgesellschaft" - ist als Beigeladene an allen drei Verfahren beteiligt gewesen.

Erfolg hatte der Eilantrag der Grundstückseigentümerin, deren Grundstück zwischen dem Steinweg und der Straße Am Schlossgarten liegt. Die Kammer hat dem Antrag stattgegeben, weil die nach den Vorschriften der Niedersächsischen Bauordnung vorgeschriebenen Grenzabstände nicht eingehalten seien. Entgegen der Auffassung der Stadt Braunschweig müsse das Gebäude des Einkaufszentrums von der Grundstücksgrenze einen Abstand von "einem H" - gemeint ist die Höhe des Gebäudes - einhalten; das sind hier 21,75 Meter. Die Baugenehmigung beruht dagegen auf der Rechtsauffassung, dass nur ein Abstand von der Hälfte dieses Wertes einzuhalten sei. Für die Berechnung des zu berücksichtigenden Grenzabstandes sei zwar - so die Kammer - die Entfernung von der Gebäudeaußenwand bis zur Mitte der Straße Am Schlossgarten maßgeblich. Diese Entfernung beträgt aber nur 10,99 Meter.

Nach Auffassung der Kammer ist es im Ergebnis nicht von entscheidender Bedeutung, dass auch das Gebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin den insoweit geltenden Grenzabstand von "einem H" - das sind hier 19,05 Meter - nicht einhält. Die Kammer hat geprüft, ob sich die Antragstellerin auf die Nichteinhaltung des Grenzabstandes auf dem benachbarten Grundstück der Beigeladenen berufen kann, obwohl sie selbst den Grenzabstand nicht einhält. Wegen "unzulässiger Rechtsausübung" dürfe nämlich derjenige die Verletzung des Grenzabstandes durch einen Nachbarbau nicht rügen, der den Nachbarn in vergleichbarer Weise durch eigene Überschreitung des Grenzabstandes beeinträchtige. Bei der von der Kammer zu treffenden wertenden Entscheidung kam es darauf an, welche "Abstandsschatten" die Gebäudeteile an der Grenze auf das Grundstück des jeweiligen anderen werfen und in welcher Weise die Gebäude hierdurch nach den konkreten Verhältnissen diejenigen Belange beeinträchtigen, welche die Grenzabstandsvorschriften schützen sollen. Diese Wertung fiel unter Berücksichtigung aller Umstände zu Lasten der Bauherrin (der KG Panta 34. Grundstücksgesellschaft) aus. Es komme dabei nicht auf einen "zentimetergenauen" Vergleich an, vielmehr seien die Gesamtumstände des Falles in die Abwägung einzubeziehen. Dies sind - so die Kammer - unter anderem das Ausmaß, in dem der jeweilige Grenzabstand zu Lasten des benachbarten Grundstücks überschritten wird, die beiderseitigen Grundstücksnutzungen, die Art und das Maß der Bebauung sowie die jeweils auftretende Verschattung, insbesondere auch im Hinblick auf die Himmelsrichtung des jeweiligen Nachbargrundstückes durch die Bauvorhaben. Die Wertung aller Belange ergibt nach Auffassung der Kammer, dass die Nachbarrechte der Antragstellerin verletzt werden.

Die von der Stadt Braunschweig und der Bauherrin vertretene Auffassung, der Widerspruch sei unwirksam erhoben worden, teilt die 2. Kammer nicht. Die für die Antragstellerin handelnde Immobilien GmbH ist - so die Kammer - zur wirksamen Einlegung des Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung rechtlich befugt gewesen. Aus den einschlägigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes lasse sich nicht herleiten, dass nur eine "natürliche Person" gegen eine Baugenehmigung Widerspruch erheben könne und nicht eine GmbH.

Die Kammer hat in dem Verfahren nicht geprüft, ob eine beabsichtigte Ausnahmegenehmigung zur Unterschreitung des gesetzlichen Grenzabstandes rechtlich zulässig wäre oder nicht.

In den beiden erfolglos gebliebenen Verfahren hatte die Kammer sich im Wesentlichen im Rahmen des baurechtlichen Gebotes der gegenseitigen Rücksichtnahme damit auseinander zu setzen, ob zulässige Lärm- und sonstige Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Fragen des Grenzabstandes oder der Wirksamkeit der eingelegten Widersprüche stellten sich in diesen Verfahren nicht: Weder waren insoweit Rügen vorgetragen worden, noch hat die Kammer Anhaltspunkte dafür finden können, dass die Grenzabstandsvorschriften hier ebenfalls nicht beachtet worden wären. Die Grundstücke der Antragsteller liegen an der Georg-Eckert-Straße und der Straße Hinter der Magnikirche; die Grenzabstände betragen insoweit etwa 45 Meter und mehr.

Die zum Gegenstand der Baugenehmigung erklärten Lärm- und Umweltgutachten lassen - auf der Basis des Verkehrsgutachtens - nach Auffassung der Kammer die Überschreitung der maßgeblichen, für ein Besonderes Wohngebiet noch zulässigen Höchstwerte nicht erwarten. Durchgreifende Bedenken hätten die Antragsteller nicht geltend machen können.

In einem Besonderen Wohngebiet seien Lärmgrenzwerte von tagsüber 60 dB(A) und nachts 40 dB(A) einzuhalten. Nach den Messungen und Prognoseberechnungen des Lärmgutachtens sind aufgrund der Nutzung der Schloss-Arkaden im Erdgeschoss des Gebäudes in der Georg-Eckert-Straße, in dem der zweite Antragsteller wohnt, lediglich Werte von 49,6 db(A) tagsüber und 24,7 db(A) nachts zu erwarten. In einem weiteren Gebäude in der Georg-Eckert-Straße werden im 4. Obergeschoss tagsüber 53 dB(A) und nachts 29 dB(A) nicht überschritten. Nach den Berechnungen des Gutachterbüros ist für das Grundstück des in der Straße Hinter der Magnikirche wohnenden Antragstellers von einem um 4 dB(A) geringeren Wert auszugehen.

Eine Belastung mit Stickoxid und anderen Schadstoffen, die die Grenzwerte (der TA-Luft 2002 und der 22. BimSchV) überschreite, sei für die Grundstücke der Antragsteller an der Georg-Eckert-Straße und im Magniviertel nach der Analyse der klimatisch-lufthygienischen Auswirkungen des Bauvorhabens durch ein weiteres Gutachten nicht zu befürchten.

Die Kammer brauchte in allen Verfahren die Wirksamkeit des Bebauungsplanes "Einkaufszentrum Schlosspark" nicht zu überprüfen. Die Frage nach der Wirksamkeit des Planes hat die Kammer ausdrücklich offen gelassen.

Die Kammer hat den Verfahrensbeteiligten heute das Ergebnis der Entscheidungen mitgeteilt. Die Beschlüsse liegen noch nicht in schriftlicher Form vor. Sobald dies der Fall ist, können die Verfahrensbeteiligten gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Beschwerde einlegen, über die das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu entscheiden hätte. Die Beschwerde ist in einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die schriftlichen Beschlüsse den Beteiligten übersandt worden sind.

(Aktenzeichen: 2 B 419/04, 2 B 409/04, 2 B 486/04)

Artikel-Informationen

erstellt am:
08.02.2005
zuletzt aktualisiert am:
30.06.2010

Ansprechpartner/in:
Vizepräsident/Pressesprecher Dr. Torsten Baumgarten

Verwaltungsgericht Braunschweig
- Pressestelle -
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